Harnsteine

Harnsteinleiden: Nieren- oder Blasensteine?

Harnsteine bei Menschen sind kristalline Ablagerungen in unterschiedlicher Zusammensetzung und Größe. Harnsteine (Harnkonkremente) treten in den ableitenden Harnwegen wie Niere, Harnleiter und Blase auf, in seltenen Fällen auch im Nierengewebe. So spricht man je nach Lokalisation des Steinleidens von Nierensteinen, Harnleitersteinen oder Blasensteinen. Man unterscheidet dabei primäre (stoffwechselbedingte) Harnsteine wie Kalziumoxalate (Whewellit und Weddelit), Harnsäure, Natriumurat, Cystin oder Xanthin von den sekundären Harnsteinen wie zumeist Phosphate oder auch Ammoniumurat, die bei einem Harnwegsinfekt entstehen. Auch Mischformen kommen vor.

Nicht selten liegt das Vorkommen von Nieren- und Harnleitersteinen an den ungünstigen Ernährungs- und Lebensgewohnheiten der westlichen Industriestaaten. Auch bei Stoffwechselstörungen können Steine im Harntrakt auftreten, die durch zu viel Salz im Urin und zu wenig stabilisierenden Harnkolloiden entstehen. Blasensteine entstehen meist infolge von Blasenentleerungsstörungen, zum Beispiel bei einer vergrößerten Prostata. Entsprechend weisen die Steine sehr verschiedene chemische Zusammensetzungen auf, wobei Kalziumoxalatsteine (mit Oxalat – Whewellit und Weddelit) und Kalziumphosphatsteine (mit Phosphat – Struvit und Apatit) am häufigsten vorkommen. Die Übersäuerung des Harns, also ein niedriger Urin-pH-Wert, begünstigt die Harnsteinbildung von zum Beispiel Harnsteinen aus Harnsäure (Harnsäuresteine) und den Kalziumoxalatsteinen. Andererseits kommt es bei einem Harnwegsinfekt oft zu einer Alkalisierung des Harns, da viele Mikroorganismen das Enzym Urease enthalten. Die Urease spaltet Harnstoff in alkalischen Ammoniak und Kohlendioxid. In diesem alkalischen Milieu können schwerlösliche Phosphate als Harnstein kristallisieren. Die Häufigkeit von Harnsteinen bei Menschen nimmt zu.

Symptome und Schmerzprofil

Nierensteine, die ruhig in den Nieren liegen, bereiten normalerweise keine Beschwerden. Sowohl kleine Steinchen als auch der sogenannte Nierengrieß fließen mit dem Urin ab. Ein kleiner, stechender Schmerz beim Wasserlassen ist das, was der Patient verspüren könnte. Komplexere Schmerzen werden durch größere Nierensteine verursacht: Hier hat der Nierensteinpatient kolikartige Schmerzen, die unerträglich werden können. Je nach Lage des Nierensteins strahlen die Schmerzen in andere Körperteile aus, wenn der Stein abgeht. Die plötzlich auftretenden, stechenden, krampfartigen Schmerzen können in den Rücken, den seitlichen Unterbauch, die Leisten oder in die Genitalregion ausstrahlen. Zudem klagt der Nierensteinpatient über Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen. Hinzu kommen folgende Symptome: Blähungen, der Stuhlgang können nicht mehr abgehen, ein nicht zu unterdrückender Harndrang tritt auf und ein vermehrtes Wasserlassen kleiner Harnmengen, häufig ist Blut im Urin. Anzeichen für Nierensteine sind auch Schweißausbrüche und die Neigung zum Kollaps. Besteht ein zusätzlicher Harnwegsinfekt, geht dieser mit Fieber, Schüttelfrost und Schmerzen beim Wasserlassen einher.

Menschen mit Blasensteinen haben häufig keinerlei Beschwerden. Ob sich die Blasensteine bemerkbar machen, hängt vorrangig von der Lage und der Größe des Steins ab. Liegt er frei in der Harnblase, so kann der Harn ungehindert durch die Harnröhre abfließen. Besondere Symptome treten unter diesen Umständen nicht auf. Setzt sich ein großer Stein jedoch fest an die untere Blasenwand und versperrt den Ausgang der Harnblase zur Harnröhre, resultieren daraus Beschwerden. Die häufigsten Symptome sind: häufiger Harndrang, kleine Urinmengen, Fremdkörpergefühl, Schmerzen am Ende des Wasserlassens, die bei Männern bis in die Spitze des Penis ausstrahlen können, Blut im Urin, Blasenkrämpfe, die zu starken, wehenartigen Schmerzen führen.

Die häufigsten Arten von Harn- bzw. Nierensteinen sind:

 
Kalziumoxalate (Whewellit und Weddellit)                                                                       70-85 %
Harnsäure, Harnsäure-Dihydrat                                                                       10-20 %
Phosphate (Struvit, Karbonatapatit, Brushit)                                                                       ca. 5 %
Genetisch bedingte Steinarten (Cystin, Xanthin, 2,8-Dihydroxyadenin)                                                            ca. 1 %
Ammoniumurat, Natriumurat                                                                       ca. 0,5 %

Harnsteinarten

Kalziumoxalatsteine 

70-85 % aller Harnsteine bestehen aus Kalziumoxalat. Es gibt zwei Formen der Kalziumoxalate, die sich in der chemischen Zusammensetzung und der kristallinen Struktur unterscheiden: Kalzium-Monohydrat (Whewellit) und Kalzium-Dihydrat (Weddellit). Außerdem können eine Reihe von anderen Harnsteinsubstanzen zusammen mit den beiden Kalziumoxalaten auftreten. Entsprechend Studien von vor 20 bis 30 Jahren bilden Männer doppelt so häufig wie Frauen Kalziumoxalatsteine.

Kalziumoxalatsteine

Harnsäuresteine

Eine durch den Stoffwechsel vermehrte Bildung von Harnsäure im Körper führt zu einer erhöhten Ausscheidung im Harn. Mit der erhöhten Ausscheidung von Harnsäure im Harn ist häufig ein sehr saurer Harn verbunden; sein pH-Wert liegt dann unter 6,0. Man spricht von einer „Säurestarre“ des Harns, die durch eine Fehlfunktion der Niere bedingt ist. Da Harnsäure im sauren Harn sehr schwer löslich ist, bilden sich dann leicht Kristalle. Mit dem Entstehen dieser Kristalle beginnt das Wachstum größerer Harnsäuresteine.

Harnsäuresteine

Kalziumphosphatsteine

Die Kalziumphosphate in Harnsteinen werden Apatite genannt. Die meisten Steine enthalten eine spezielle Form des Kalziumphosphates, den Karbonatapatit. Nur wenige Steine (1-2%) enthalten ausschließlich Apatit bzw. Karbonatapatit. Meist tritt Kalziumphosphat als Mischpartner mit Kalziumoxalat und mit Magnesium-Ammonium-Phosphat (Struvit) auf. Kalziumphosphatsteine können sehr groß werden.

Copyright der Abbildungen: Prof. Dr. A. Hesse, Bonn und Priv. Doz. Dr. W. Berg, Jena.

Kalziumoxalatsteine

Harnsteinbildung

Die Pathogenese von Harnsteinen kann verschiedene Ursachen haben. Häufig führen Stoffwechselstörungen, Entzündungen, eine falsche Ernährung, Übergewicht und zu geringe Trinkmengen zur Harnsteinbildung, weitere Ursachen siehe Vor- und Nachsorge.

Die Bildung von Kalziumoxalatsteinen beruht auf mehreren pathogenetischen Mechanismen. Diese müssen bei jedem Patienten abgeklärt werden. Harnsteine aus Kalziumoxalat bilden sich, wenn zu viele Kalzium- und Oxalationen im Harn vorhanden sind, so dass das schwerlösliche Salz Kalziumoxalat kristallisiert. Aber auch die Ausscheidung von Harnsäure im Harn kann die Kristallisation von Kalziumoxalat fördern und spielt damit eine wesentliche Rolle für die Entstehung von Kalziumoxalatsteinen.

Das Kalziumoxalatsteinleiden ist die häufigste Steinerkrankung

Ein saurer Harn (niedriger Urin-pH-Wert) begünstigt die Ausscheidung von Kalziumionen und Harnsäure im Harn. Im Harn gibt es aber auch eine Reihe von Substanzen, die die Harnsteinbildung verhindern, zum Beispiel Citrat und Citronensäure sowie hochmolekulare Verbindungen. Citrat/Citronensäure darf also eine bestimmte Konzentration im Harn nicht unterschreiten. Bei neutralem oder leicht alkalischem Harn (pH 6,8 bis 7,4) verhindert Citrat/Citronensäure die Kalziumoxalatbildung besonders gut.

Die Ursachen für Harnsteine der Kategorie Kalziumoxalatstein sind gut bekannt. Bei jedem Patienten können mehrere Faktoren beteiligt sein, so dass man auch von einer „multifaktoriellen“ Erkrankung spricht.

Was die Harnsteinbildung von Kalziumoxalatsteinen fördert

  • Verengung der Harnwege, die den gleichmäßigen Harnabfluss behindern
  • Ungenügende Harnverdünnung durch zu geringe Flüssigkeitsaufnahme oder zu starkes Schwitzen
  • Vermehrte Kalziumaufnahme mit der Nahrung, zum Beispiel reichliche Aufnahme von Milch oder Milchprodukten wie Joghurt, Käse u. ä.
  • Vermehrte Oxalataufnahme durch Nahrungsmittel wie Rhabarber, Spinat, Rote Beete, Mangold, Kakaoprodukte u.a.
  • Verstärkte Aufnahme von Kalzium über den Darm durch Veränderungen der Funktion des Darmes
  • Verstärkte Aufnahme von Oxalsäure über den Darm durch Fehlfunktion des Darmes
  • Erhöhte Kalziumausscheidung in den Harn durch Knochenabbau oder Fehlfunktion der Niere
  • Erhöhte Bildung von Oxalsäure im körpereigenen Stoffwechsel
  • Erhöhte Aufnahme von tierischem Eiweiß (Fleisch, Wurst, Fisch, Leber, Herz, Niere u.a.). Dies führt zu einem Anstieg des Harnsäurespiegels im Körper. Gleichzeitig wird vermehrt Kalzium aus der Nahrung aufgenommen.
  • Zucker und andere raffinierte Kohlenhydrate (weißes Mehl, Weißbrot u.a.), die die Ausscheidung von Kalzium im Harn steigern
  • Erhöhte Kochsalzaufnahme, die zu einer vermehrten Kalzium-Ausscheidung im Harn führt
  • Verminderte Ausscheidung von verschiedenen Stoffen, die die Kristallisation von Kalziumoxalat verhindern können, z. B. Citrat und Citronensäure sowie bestimmte körpereigene hochmolekulare Stoffe
  • Reichlicher Biergenuss, der zu einer verstärkten Bildung von Harnsäure führt, die dann vermehrt im Harn ausgeschieden wird

Wichtige Ursachen für die Bildung von Harnsäuresteinen sind zu gutes Essen und reichlicher Bier- bzw. Most- oder Weinkonsum. Patienten mit Harnsäuresteinen sind deshalb meist übergewichtig. Auch Veränderungen im Stoffwechsel können die Ausscheidung von Harnsäure im Urin erhöhen und damit eine Steinbildung begünstigen. Harnsäure ist ein Endprodukt von Stoffwechselvorgängen, die von Purinen ausgehen, und als Abfallprodukte über die Nieren ausgeschieden werden. Harnsäuresteine sind die zweithäufigste Steinart. Sie begünstigen die Bildung von Kalziumoxalatsteinen, also der häufigsten Steinart.

Harnsäuresteine treten in Abhängigkeit von der Region unterschiedlich häufig auf. So enthalten im Norden Deutschlands etwa 12 Prozent aller Harnsteine Harnsäure, während im Süden, wie zum Beispiel in Franken und Bayern sowie im Osten Österreichs, über 20 Prozent der Harnsteine aus Harnsäure bestehen. Männer haben entsprechend älteren Studien etwa dreimal häufiger Harnsäuresteine als Frauen.

Saurer Harn begünstigt Kristalle im Urin

Ursache für die Harnsteinbildung von Harnsäuresteinen ist ein sehr saurer Harn, dessen Urin-pH-Wert unter 6,0 liegt. Bei Gicht ist Harnsäure im Blut erhöht und die Kristalle können sehr schmerzhaft in den Gelenken auftreten (akuter Gichtanfall). Zwischen Gicht und Harnsäuresteinbildung besteht ein enger Zusammenhang: 40 Prozent der Gichtpatienten leiden auch unter Harnsäuresteinen.

Kalziumphosphatsteine oder Calcium-Phosphatsteine bilden sich, wenn hohe Kalzium- und Phosphatkonzentrationen im Harn vorliegen und gleichzeitig der Urin-pH-Wert auf über 7,4 – also in den alkalischen Bereich – angestiegen ist. Häufigste Ursache für den Anstieg des Urin-pH-Wertes ist ein bakterieller Harnwegsinfekt. Bestimmte Bakterien können durch den Abbau von Harnbestandteilen zu einem alkalischen Harn führen und damit Bedingungen schaffen, die für die Entstehung von Kalziumphosphatsteinen günstig sind.

Möglich ist auch eine Funktionsstörung der Nierenkanälchen. Dadurch wird das Blut saurer als normal. In der Folge werden erhöhte Werte von Kalzium und Phosphat aus den Knochen freigesetzt und über den Harn ausgeschieden. Auch dabei können Kalziumphosphatsteine entstehen.

Kalziumphosphatsteine sind keine reinen Harnwegsinfektsteine

Eine besondere Form der Kalziumphosphatsteine sind Brushitsteine. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes saures Phosphat (Kalziumhydrogenphosphat). Die Ursachen der Bildung von Brushit stimmen mit denen von reinem Kalziumphoshat überein, jedoch spielen Infektionen keine Rolle. Die Bildung der Brushitsteine beginnt bereits im sauren Harn.

  • Kalziumphosphatsteine können bei einem Urin-pH-Wert von über 7,4 entstehen
  • Häufigste Ursache der Entstehung von Kalziumphosphatsteinen ist ein bakterieller Harnwegsinfekt
  • Auch eine Funktionsstörung der Nierenkanälchen kann Auslöser für Kalziumphosphatsteine sein
  • Brushit-Steine können bereits im sauren Harn entstehen und werden sehr schnell neu gebildet

Therapie

Sind Sie schmerzfrei, haben keinen Harnwegsinfekt und keine Harnabflussstörung, müssen kleine Harnsteine nicht unbedingt behandelt werden. In manchen Fällen genügen regelmäßige Kontrollen. Ist allerdings eine Behandlung der Nierensteine erforderlich, gibt es verschiedene Maßnahmen.

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